Der Nachruf der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen 1878







Zum Andenken an A. von Ettingshausen.
von
J. B. Listing

Am 25. Mai d. J. starb zu Wien Freiherr Andreas von Ettingshausen, seit 1864 als Correspondent der mathematischen Classe unserer Gesellschaft angehörend.
Ettingshausen ist geboren 1796 den 25. November zu Heidelberg, wo sein Vater, zur Zeit Major im österreichischen Generalstabe, später Generalmajor, stationirt war. Den Schulunterricht genoß er bis zum 13. Jahre in Folge des vielfach wechselnden Domicils des Vaters an verschiedenen Orten Ungarns, zuerst in Essek, dann in Zombor, Neusatz, Pest und Erlau. Nach beendetem Gymnasialstudium zu Wien besuchte er, vom Vater zunächst für die militärische Laufbahn bestimmt, außer den Universitäts-Vorlesungen noch die dortige, damals in hohem Ansehen stehende Bombardierschule, in der er hauptsächlich den Grund zu seiner gediegenen mathemetischen Bildung legte. Mit Eintritt des Friedens wandte er sich von der militärischen Laufbahn dem Lehrfach zu und wurde 1817 Adjunct der Wiener Lehrkanzel für Mathematik und Physik. 1819 Professor der Physik an der Universität zu Innsbruck und kehrte zwei Jahre darauf als Professor der höheren Mathematik wieder nach Wien zurück. Das mathematische Studium nahm an dieser Universität unter Ettinghausen´s Thätigkeit einen neuen Aufschwung. In jener Zeit schrie er die 1827 erschienene »Vorlesung über höhere Mathematik« in zwei Bänden.
Als im Jahre 1834 Baumgartner, der zeitherige Professor der Physik in den administrativen Staatsdienst übertrat, wurde Ettingshausen dessen Nachfolger. In dieser Stellung, die er bis zum Jahre 1848 innehatte, erschienen von ihm die »Anfangsgründe der Physik« ein Compendium nicht gewöhnlicher Art, welches sich durch den gelungenen Versuch auszeichnet, die elementarmathematische Begründung möglichst gleichförmig durch das ganze Gebiet der Physik durchzuführen. Von 1844 an erschienen davon bis 1860 vier Auflagen. Seine experimental-physikalischen Vorlesungen an der Universität wurden von allen Ständen reich besucht, aber daneben fanden seine mathematisch-physikalischen Vorträge wegen des Umfangs der gediegenen Behandlung den Beifall seiner zahlreichen Fach-Schüler.
An der Wiener Akademie der Wissenschaften, zu deren Gründung Ettingshausen bereits 1837 in einer Denkschrift die erste Anregung gegeben, bekleidet er gleich anfänglich die Stelle eines Generalsecretärs. Schon im Jahre 1848 aber übernahm er die Leitung des mathematischen Studiums an der neu umgestalteten K. Ingenieur-Akademie, trat jedoch 1852, als diese Anstalt in eine rein militärische Schule verwandelt wurde, zu dem polytechnischen Institute über, wo er ein Jahr hindurch das angewandte mathematische und das Ingenieurfach vertrat. Aber schon ein Jahr später, nach Doppler´s Tode, wandte er sich zur Universität zurück, um die Leitung des wenige Jahre vorher gegründeten physikalischen Institutes der Universität zu übernehmen, welches seine reiche Ausrüstung mit vorzüglichen Apparaten und Meßinstrumenten hauptsächlich Ettingshausen verdankt.
Im Jahre 1862, während seines Rektorats der Universität, verfiel er in eine schwere und langwierige Krankheit, welche seine Kräfte dauernd schwächte, und trat 1866 in den Ruhestand, nach fast fünfzigjähriger erfolgreicher Lehrthätigkeit in den erste Stellungen an den verschiedenen wissenschaftlichen Anstalten Wiens, und ihr wurde alsbald auch durch seine Erhebung in den Freiherrenstand die kaiserliche Anerkennung zu Theil. Von nun an war er zwar wissenschaftlich nicht mehr productiv, aber noch im vollem Besitz geistiger Kraft. Er las und studirte fleißig für sich. Die letzten Lebensjahre verbrachte er in stiller Zurückgezogenheit mit zwei verwittweten Töchtern, während der Sommerzeit meistens in der stärkenden Landluft Aussee´s in Obersteyermark. In Folge eines erneuerten Nervenanfalls endete im Alter von 81½ Jahr sein Leben mit einem sanften Tod am 25. Mai dieses Jahres.
Wir haben in Göttingen im Sommer 1840 wo sein Besuch der persönlichen Bekanntschaft mit Gauß galt, der ihm von den damals noch wenig bekannt gewordenen Ergebnissen theoretischer Untersuchungen im Gebiet des Magnetismus und der Electrodynamik Manches bereitwillig mittheilte, Gelegenheit gehabt, in Ettingshausen nicht nur den Gelehrten, sondern auch den vielseitig gebildeten und in geselliger Hinsicht liebenswürdigen Mann kennen zu lernen. Die hervorragende Wirksamkeit Ettingshausens als Lehrer auf dem Gebiete der exacten Wissenschaften und nicht minder die kritische Strenge, die er ebensowohl bei seinen eigenen Productionen übte wie gegen die Leistungen Anderer, so daß er in Fällen lange vorbereiteter Werke noch während des bereits begonnenen Druckes die Arbeit wieder vernichtete, weil sie seinen Anforderungen nicht mehr genügte, waren Ursache, daß seine Veröffentlichungen weniger durch ihren Umfang als durch die Klarheit und die Gediegenheit der Darstellung hervortraten.


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